Stroh zu Gold spinnen

Ich reiße die Form auf und reduziere die Figur.
Das Aufgerissene ist Symbol meiner eigenen Zerrissenheit.
Ich spachtle, ich kratze. Ich wische und verwische, ich zerstöre und baue auf.
Ich hinterlasse Narben auf der Leinwand. 
Es ist ein immer wieder neues Zerstören des Bildes.
Es hat etwas Verletzendes und etwas Schöpfendes.
Ich mache das, solange bis auf der Leinwand eine fragile Schönheit
zum Vorschein kommt.
Es ist wie Stroh zu Gold spinnen.

 

Selbstportrait

Vita

Studium der Literaturwissenschaften, 
Johannes Gutenberg Universität Mainz

Ausbildung zur Sprecherin

Fernsehmoderatorin Pro 7 und ZDF
Psychologische Beraterin


Künstlerische Studien bei:

Reinhold Petermann, Bildhauer, Mainz

Matthias Rüppel, Maler und Bildhauer UdK, Berlin,

Christian Felder, Maler, Mainz

Was ein Maler über meine Arbeiten sagt ...

Vernissage Galerie K5 in Mainz

Zurückgeworfen auf das Selbst
 
Angelika Wende ist keine staatlich lizenzierte Künstlerin. Sie hat keinen Abschluss einer Kunsthochschule vorzuweisen. Doch sie hat etwas das vielen "Meisterschülern" fehlt: innere Notwendigkeit. Der Trieb die Ereignisse der Welt malerisch zu verarbeiten ist tief in ihr verwurzelt.

 

In jedem Zyklus werden wir mit einer ungeschönten aber auch zugleich unumstößlich notwendigen Bildwelt konfrontiert. Diese lockt durch ihre Intensität. Wendes "Müssen" ist deutlich sichtbar. Sie wirft ihre Leidenschaften in die Waagschale, kämpft um jedes Bild und erzeugt etwas, das in der Kunst unbezahlbar bleibt: Authentizität. 
 
Durch diese Bilder erweitern wir unsere psychische Wirklichkeit um die Einsicht eines klugen, empathischen und scharfsinnigen Individuums. Es ist an uns, dem
Betrachter, einem wunderbaren, teilweise schmerzhaften, Ereignis beizuwohnen.
Wir sehen Figuren. Einzelne, im Paar, im Drei-Mensch-Verhältnis, kleinere Gruppen.
Gemalt in einem Stil der sich von Individualität entfernt und als Stilmittel die
Reduktion der Form zu nutzen weiß.
 
In dieser Reduktion wird vom konkreten Menschen, von der konkreten Situation,
auf das Allgemeine abstrahiert. Als Heroen der Malerei begegnen uns die ewig
immer wiederkehrenden Konfliktpfeiler menschlicher Existenz.
 
Der Einzelne mit sich selbst. Zurückgeworfen auf das Selbst, getrennt von dem
Ersehnten, sind einzelne der Figuren mit vertikalen Elementen konfrontiert, wirken gespalten in sich selbst. "Wir  Menschen sind Halbierte, die sich nach Ganzheit sehnen." Das Paar - zusammengehörige Fremde. Nahe Distanz. Zärtliche Kälte.
 
Die Paradoxie wird deutlicher. Eine Figur konkret, eine andere von ihr durch einen
traumähnlichen Schleier oder stärker werdende Reduktion getrennt. Ein
Kommunikationsversuch zwischen entfernten Welten. Figuren unterschiedlich, wie
sie das Leben erzeugt, die trotzdem die Anlage zur Zusammengehörigkeit in sich
tragen. Eine Figur sieht die andere an, doch diese blickt nicht zurück.
 
Das Drei-Mensch-Verhältnis, angedeutete schemenhafte,kleinere Figuren. Hier verdichtet sich der Konflikt. Es kommt zu Angriffs- und Schutzhandlungen.
 
Farblich bewegt sich Wende im Bereich der gebrochenen Farben. Die Reinheit
wird durch Vermischen harmonisiert und gebrochen. Der Preis dafür ist der Verlust
der Idylle farblicher Naivität. Sie öffnet sich für das Schwarz, lässt die Hoffnung aus
manchen Bildern gänzlich verschwinden und führt uns in erschütternde Bildwelten,
deren Stärke sich die offene Psyche nicht widersetzen kann.
 
Kühle, leuchtende Blau und ins Weiß gehende Töne brechen diese Grundharmonie
gelegentlich auf. Dieser Ton hat und Distanz, aber eben auch Klarheit und
Hoffnung. Abgesehen von den Grauharmonien und den Erdtönen spielt im Kontrast
zum leuchtenden Blau das Rot eine zentrale Rolle. Wärme und Kälte
sind hier ein dominantes Thema. Kraft und Energie. Wunsch und Wirklichkeit.
Hoffnung und Erfahrung.
 
Wir sehen uns mit einem ernüchterten Weltbild konfrontiert. Der Verlust der
paradiesischen Unschuld durchzieht das Werk, genauso wie die Sehnsucht nach
eben diesem. Wir sehen die Bereitschaft den Finger in die Wunde zu legen. An
manchen Stellen sogar eine gewisse Lust den Finger noch tiefer in die Wunde zu
stecken als vielleicht nötig. Ein Hunger nach intensivem Leben wird uns
zuteil. Weit davon entfernt gefällig zu sein, widmet sich Wende intensiv der Entwicklung der Psychologie durch die Malerei.
 
Angelika Wende hat einen Standpunkt, Ihre Sicht der Dinge.
 
Die Hoffnung liegt bei ihr im Detail und treibt daraus "eine Blüte, die bei einem ersten, oberflächlichen Blick einer Blume des Bösen gleicht, aber deren wahres Selbst die Liebe ist." 
 
Nach dieser kleinen Reise fällt vor allem ein Fehlen auf. Hiermit meine ich auch das
Fehlen des rechten Auges zahlreicher Figuren. Das Auge ist unser Werkzeug zum
Betrachten der Welt. Diese Wahrnehmung ist für viele von uns prägend und formt
zwangsläufig, als mächtigster Sinn, unser Weltbild. Auf der anderen Seite gilt das
Auge als "Fenster der Seele". Es ist Mittler zwischen dem Inneren und dem Äußeren.
In beide Richtungen. Was ist es, das nicht wahrgenommen wird? Was dürfen wir
nicht sehen? Was versteckt sich hinter dem uns entzogenen Auge? Der Respekt vor
der Leistung der Künstlerin erlaubt hier nur Fragen. Fragen auf die es vielleicht keine
eindeutige Antwort geben kann.
 
Diese Malerin folgt keinem Programm, sie folgt ihrer Intuition. Intuition als Maxime, das authentische Gefühl aus Erfahrung als Messlatte, die Notwendigkeit bildnerisch zu gestalten. Dies scheinen mir die drei Grundpfeiler ihres Schaffens zu sein. "Ich male wenn die Worte nicht ausreichen, um das zu beschreiben was in mir ist...," schreibt sie in einem Text. Lassen wir die Bilder sprechen. 


Christian Felder